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Dem Unbekannten einen Namen zu geben, ist ein erster Schritt, wenn alles fremd erscheint. Vielleicht ist das ein Grund, warum die Titel, die Andrea Sohler zu ihren Fotografien stellt, weit mehr sind, als pointierte Anmerkungen. »Heul doch« steht bei der Aufnahme einer Hausfront, die Regenspuren zeigt. Die »Braut« entpuppt sich als eine Tanne, in der sich eine große Folie wie ein Schleier verfangen hat. Bloß eine Gardine ist die »Prinzessin«, doch sie wird von zauberhaftem Licht umworben.
Bis Bild und Überschrift zueinander finden, müssen sie eine harte Prüfung durchlaufen. Manchmal, sagt die Fotografin, fallen ihr die passenden Worte zwar spontan ein. Meist jedoch schaut sie »Wochen oder sogar Monate lang immer wieder einmal« nach ihren Arbeiten und prüft, ob sie »noch interessiert«, was sie sieht. Aus dieser Ruhe heraus, entstehen dann die doppelbödigen Bezüge, die ihre Arbeiten kennzeichnen.
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Denn »die kleinen Dinger« - auch das ein Sohler’scher Titel - entfalten unversehens einen Charme, wie ihn auch Alice in ihrem Wunderland entdeckt. Nichts ist mehr vertraut. Beängstigend kann das sein - und Spaß machen. Sohler, die in Szatmárnémeti in Siebenbürgen geboren wurde, wuchs in Nürnberg auf. An der Hochschule für Angewandte Künste in Budapest studierte sie bei Pulitzer-Preisträger Imre Benkö klassische Fotografie. Mit dem Meisterdiplom in der Tasche und der Erkenntnis, keine Lust zu haben, sich in »technischen Raffinessen zu verlieren«, kam sie nach Nürnberg. Ihre Jahre als Meisterschülerin Ottmar Hörls an der Akademie erlebte sie als »sehr befreiend«.
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Auszüge aus dem Artikel von Sabine Rempe