(...) Auf den ersten Blick erscheint und die Wirklichkeit oft öde und wenig erfreulich. “Der Stoff gewinnt erst seinen Wert durch künstlerische Gestaltung”, wie schon Heinrich Heine geschrieben hat. Das belegen zum Beispiel sehr überzeugend die Foto-Arbeiten und eine Video-”Fallstudie” von Andrea Sohler, welche der Kulturverein Winterstein präsentiert. Sohler verwandelt Banales in reine Poesie. Ihr gelingt es, aus kleinen Schnappschüssen ebenso geheimnisvoll wie monumental wirkende Bilder zu gestalten. Ihre Motive findet sie in den Vorstädten, wo gesichtslose Architektur auf mitgenommene Reste natürlichen Lebens triff. Sie fotografiert Fassaden und allerlei umherliegenden Müll, kranke Bäume und trostlose Grünanlagen. Durch die wahl der Perspektive und der Bildausschnitte wird dieser Stoff spektakulär veredelt. Es entstehen wahre Foto-Gemälde, raffinierte Form- und Farbkompositionen, die zur Meditation einladen. (...)
Bernd Zachow
(...) Spurensicherung mit der Amateurkamera betreibt die Künstlerin Andrea Sohler, deren allemal erstaunlich poetische Bilder im Galeriehaus Nord ausgestellt sind. Sohler flaniert vornehmlich durch die Nürnberger Vororte, um abzulichten, was ihr der Zufall beschert. Von den ganz altmodischen, kleinformatigen Fotoabzügen, welche sie im heimischen Labor entwickelt, fertigt sie danach farbige Scans, die sie beim Ausdrucken zu mittleren Plakatformaten aufbläst. Zu sehen sind mehr oder minder schäbige Architekturteile, Pfützen, Reifenspuren im Neuschnee, ein Stück Himmel, Graffiti, ein Eckchen Rasen. Andrea Sohler inszeniert nichts, sie reproduziert die Welt ganz pur.
Doch durch die Wahl des Bild-Ausschnitts ermöglicht sie es uns, die alltäglichsten Dinge neu zu sehen. Die abgeschabte Wand wirkt plötzlich malerisch. Die gesprayten Wörter werden zu Fragmenten einer geheimnisvollen Botschaft, und das Schmutzwasser schimmert wie poliertes Silber. Sohlers Kunst lässt alte Alchimistenträume wahr werden: die Verwandlung unedler Materialien in edle. (...)
Bernd Zachow
(...) Besonders witzig kommentiert Andrea Sohler die «Unmöglichkeit des Porträts«. Ihre Fotoserie «post festum« zeigt Menschen, die sich gerade einen Augenblick zuvor abgewendet haben. (...)
Bernd Zachow
(...) Eine ironisch-distanzierte Anmerkung zur europäischen Freiluftmalerei sind zwei riesige Fotos von Andrea Sohler. Das eine Bild zeigt ein auf den ersten Blick düster-pathetisch wirkendes Stück Natur am Rand eines Waldes. Dass die emotionale Wirkung lediglich das Ergebnis einer geschickten Inszenierung ist, beweist die andere Fotografie. Das gleiche Motiv, das aus einem nur ganz leicht veränderten Blickwinkel aufgenommen wurde, setzt beim Betrachter keinerlei Gefühle mehr frei. (...)
Bernd Zachow